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Bremer Weser-Kurier 2009

Kurier am Sonntag

 

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Bremen...

Reinhold Kriegler packte vor zwölf Jahren die Leidenschaft für die historischen Zeitmesser

K. S.Von Karina Skwirblies

 

Bremen. Wenn Sonnenuhren ticken würden, hätte Reinhold Kriegler in seiner Wohnung keine ruhige Minute mehr. Überall hängen, stehen, liegen Sonnenuhren, selbst an den Tapeten prangen Markierungen für die Zeitanzeige - es müssen Hunderte sein. Aus Papier, Stein, Holz, Metall, kugelförmige Gebilde, digitale Konstruktionen, flache Wandsonnenuhren, Exemplare aus Japan und Nachbauten aus Ägypten schmücken Heim und Garten in Horn-Lehe. Unzählige Typen gebe es, erzählt Kriegler, und ständig käme Neues hinzu.

Den pensionierten Grundschullehrer hat sein Hobby vor rund zwölf Jahren im wahrsten Sinne des Wortes erwischt. Seitdem lassen ihn die jahrtausendalten Zeitmesser nicht mehr los. In seinem Zimmer unterm Dach hat er rund zwölf Meter Literatur zu dem Thema. Inzwischen ist Kriegler selbst ein Experte auf dem Gebiet und hält Vorträge in ganz Europa. Sein nächstes Referat führt ihn nach Paris, wo er im Oktober über "Mittagsweiser vor persischen Moscheen" erzählt - sie verkünden die exakte Zeit für das Mittagsgebet. Er hat bereits eigene Schriften zu Sonnenuhren veröffentlicht: Rund 50 Artikel in Fachzeitschriften und Büchern. Seine Internetseite zu dem Thema www.ta-dip.de  werde täglich Hunderte von Malen angeklickt, berichtet er.

In Bremen ist Kriegler mit seinem Hobby gut aufgehoben. Die Hansestadt ist nach Ansicht von Dieter Vornholz die Stadt mit der höchsten Sonnenuhrdichte Deutschlands. Der ehemalige Leiter des Planetariums hat vor einigen Jahren 110 ortsfeste Sonnenuhren gezählt. "Die Dunkelziffer dürfte in derselben Größenordnung liegen", schreibt er in seinem Buch "Bremer Sonnenuhren", das 1995 im Verlag H. M. Hauschild erschienen ist. Auf der Internetseite des Olbers-Planetariums www.planetarium.hs-bremen.de  sind für die Stadt Bremen aktuell über 150 bekannte Sonnenuhren verzeichnet. Rund 300 dürften es insgesamt sein, heißt es.

Reinhold Kriegler ist in Deggendorf in Niederbayern aufgewachsen, und schon dort gab es zwei Sonnenuhren, die ihn sehr beeindruckten. Nach seinem Studium in Regensburg war er zunächst Fremdsprachenassistent in London, bevor er sechs Jahre lang als Lehrer in Berlin arbeitete. Damals studierte er nebenbei Kunst. Etliche Radierungen und Lithographien in seinem Haus zeugen von seiner hohen Kunstfertigkeit auch auf diesem Gebiet.

Als es ihm in Berlin zu ungemütlich wurde, kam er vor rund 30 Jahren nach Bremen. Hier war er lange Jahre Lehrer an der Grundschule Oberneuland. Seine Schüler begeisterte er mit einem Projekt für die Sonnenuhr. Auf dem Pausenhof malten sie 1996 eine überdimensionale Uhr, bei der die Schüler selbst die Schattenwerfer beziehungsweise Zeiger spielten und damit die Zeit anzeigten.

Dabei ist die Berechnung für die exakte Zeitanzeige nicht einfach. "Manche Leute kaufen im Baumarkt eine Sonnenuhr und wundern sich, dass sie falsch geht", schmunzelt Kriegler. Der Längen- und Breitengrad des Standorts, der richtige Winkel des Zeigers, Ortszeit und mitteleuropäische Zeit, Jahreszeit und die Nord-Süd-Ausrichtung sind entscheidend.

Doch die komplizierten mathematischen Berechnungen und Formeln sind nicht die Sache des Bremers. "Das interessiert mich nicht, das lasse ich machen." Anspruchsvoll ist die Materie trotzdem allemal. Wer sich die selbst gebaute Reflexsonnenuhr in seinem Haus ansieht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Auf einem Ring an einer großen, hölzernen Hand auf dem Fensterbrett ist ein kleiner, runder Spiegel angebracht. Der reflektiert das Sonnenlicht als runden Punkt in das Zimmer, wo er an der Wand entlang wandert. Aufgemalte Striche auf der Tapete zeigen die Stunde, je nach Jahreszeit wandert der Punkt höher oder tiefer durchs Zimmer. Selbst vor der Holzvertäfelung an der Decke hat Kriegler mit den Strichen nicht halt gemacht.

Seine Frau Keiko Mano-Kriegler toleriert sein Hobby, auch wenn sie es nicht teilt. Die gebürtige Japanerin hat ihn jedoch bei einer Sonnenuhr-Reise in Japan mit Übersetzungen tatkräftig unterstützt. Die internationalen Kontakte schätzt Kriegler bei seiner Leidenschaft besonders. Täglich korrespondiert er per E-Mail in alle Welt. Freundschaften im Iran, in Brasilien, Frankreich, Spanien und anderswo sind entstanden. "Das öffnet mir die Welt", sagt er. "Ich habe Kontakte in über 20 Ländern."

Eine ägyptische Sonnenuhr, die er nachbaute, brachte ihm eine Bekanntschaft in Bolivien ein. Dort las eine Frau seine Geschichte, die er dazu in spanisch geschrieben hatte. Sie baute sich dann ebenfalls eine ägyptische Sonnenuhr. Zu Bremer Sonnenuhren weiß Kriegler ebenfalls Geschichten zu erzählen. So zu der Sternensonnenuhr im Focke-Museum. Sie stand zunächst verkehrt herum, nach Süden ausgerichtet. "Ein japanischer Besucher hat das auf einem Foto, das er in Bremen gemacht hat, festgestellt. Ein Steinmetz hat die Uhr dann wieder gedreht." Das Focke-Museum hat 17 Sonnenuhren in seinem Bestand. Im Schaumagazin stehen tragbare Sonnenuhren, darunter zwei "Mittagskanonen".



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