ta-dip
header

Eine Sonnenuhr in Großenkneten-Huntlosen

St. Briccius

 

b1

 

  Ich war am Nachmittag des 15. April 2007 bei herrlichem Sonnenschein an und in dieser schönen St. Briccius-Kirche. Wie gut, daß sich die Blätter noch etwas mit dem Austreiben Zeit gelassen hatten, so war der Kirchturm auch vom Norden her noch nicht hinter einem dichten Blätterdach versteckt.
Ich war auf der Suche nach mittelalterlichen Kratzsonnenuhren. Das Archiv des Arbeitskreises Sonnenuhren in der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie gab dafür eine Anzahl von Sonnenuhren an, die ich trotz intensiver Nachforschung nicht alle entdecken konnte. Vermutlich ist dem einstmaligen "Melder" angesichts zweifelhafter Kratzreste die Fantasie etwas durchgegangen.

 

b2

 

Es ist, wie der Chronist Wolfgang Hoffmann berichtet, die dritte Kirche an dieser Stelle. Angefangen hat es mit einer Holzkirche in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Die beiden Nachfolgerbauten aus Stein waren ursprünglich als Wehrkirchen konzipiert, damit sich die ortsansässigen Bauern und Handwerker vor durchziehenden marodierenden Horden in Sicherheit bringen konnten.

   

b3

 

Ich will den gegenwärtigen Pfarrer B. Chr. Bojack rühmen und preisen! Hält er doch, anders als die meisten Kollegen im weiten norddeutschen Umkreis, seine nunmehr seit der Reformationszeit evangelische Kirche tagsüber offen!

 

                                       b5

 

Wenn ich mich auf die Sonnenuhrenpirsch mache, habe ich gewöhnlich eine kleine Ausrüstung dabei, die ich gern in einem offenen Korb mit mir trage: Ein oder zwei Fotoapparate, ein kleines GPS-Gerät, ein Winkelmeßgerät, einen starren Winkelmesser, eine Wasserwaage, einen Meterstab, ein Maßband, Bleistifte, Block, Spitzer, Radiergummi, Graphitstifte, Wachsstifte, Japanpapier und ein Kniepolster.

 

 

                           b6

 

Diese schöne Zeichnung habe ich aus der vorzüglichen Abhandlung über die St. Briccius-Kirche von Wolfgang Hoffmann ausgeliehen. Gehen Sie auf:

 

                                             http://www.wolfganghoffmann.de

 

Das Copyright für die Abbildung liegt beim Isensee Verlag. Dirk Faß hat 1998 darin das Buch "Eine Zeitreise durch Huntlosen" veröffentlicht.

 

                                                  Eine Zeitreise durch Huntlosen

   

b7

 

Ich hatte beim Entlangwandern an der Südwand der Kirche ziemlich rasch diese Sonnenuhr gefunden, die unmittelbar neben einem kleinen Kirchenfenster liegt. Es ist jammerschade, daß der Architekt oder Baumeister leider keine Ahnung von mittelalterlichen Sonnenuhren hatte. Es wäre so schön gewesen, wenn man das Gnomonloch nicht verputzt und somit den mittelalterlichen Originalzustand erhalten hätte!

Dem Landesamt für Denkmalpflege ist hier auch eine Pflichtverletzung anzulasten. Bei Restaurierungsmaßnahmen derart alter Kirchen sollte es zur Pflichtaufgabe gehören, daß vorab die Wand nach Kratzsonnenuhren abgesucht wird! Aber wie es scheint, hatten sich die Herren bei dieser Kirche auf etwas anderes kapriziert, von dem später noch die Rede sein wird. 

   

                           b8

 

               b10

   

b11

   

b12

 

Hier handelt es sich offenbar um einen Versuch. Jedenfalls sind zwei Gebetszeiten klar markiert.

   

b13

 

Bei den hier dokumentierten verblaßten Ritzspuren handelt es sich entweder um einen abgebrochenen Versuch oder aber um eine andersgeartete Markierung.

   

b14


Bei dieser kreuzförmigen Ritzung könnte es sich um den Beginn einer "Sonnenuhr" handeln, aber es sind zu viele Spuren verwischt, um eine genauere Aussage zu machen. 

 

"750 Jahre Stankt Briccius Kirche zu Huntlosen" ist ein hübsches Faltblatt überschrieben, das gute Auskünfte über die Geschichte und die Besonderheiten der Kirche Auskunft gibt:

 

                      b23

                                     © Kirchengemeinde St. Briccius zu Huntlosen

 

Bei der Nachkriegsrestaurierung der Kirche - Einweihung Heiligabend 1951 kam es zu einem harschen Rüffel des Kirchenrates durch die Denkmalbehörde: "Insbesondere wurde die Entfernung der Emporen aus dem Altarraum als ein unerhörter Eingriff in den altertümlich ehrwürdigen Teil der Kirche verurteilt.
Als ich aber darauf hinweisen konnte, daß dieser Abbruch ja bereits 1947 auf ausdrückliche Anregung von Herrn Schelling hin (der dabeisaß) durchgeführt wurde, fand die Sitzung überraschend schnell ein Ende."

Diese Standfestigkeit der Huntlosener gegenüber der seit jeher als allwissend und allmächtig auftretenden Denkmalsbehörde hat mir sehr imponiert. Nachzulesen wäre dies bei Wolfgang Hoffmann! 


             b15

   

Mir gefällt der gegenwärtige Zustand der Kirche im inneren sehr. Zur Orgel aus dem 19. Jahrhundert berichtet Herr Hoffmann: "Im Frühjahr 1917 erhielt der Kirchenrat ein weniger erfreuliches Schreiben vom Amt Wildeshausen, das von der Mobilmachungsstelle in Berlin weitergeleitet wurde. Mit dem Gesetz vom 10. Januar 1917 sollen Orgelpfeifen aus Zinn beschlagnahmt werden.

Der Kirchenrat hatte daraufhin einen Meldeschein vom Amt Wildeshausen bezogen, vom Orgelbauer Schmidt in Oldenburg ausfüllen lassen und den Schein am 8. März 1917 wieder abgesandt. Im Juni 1918 wurden 31 zinnhaltige Orgelpfeifen mit einem Gewicht von 23 kg an das Amt Wildeshausen geliefert. Gezahlt wurde eine Vergütung von 35 M." 

Und wann war der 1. Weltkrieg zu Ende? 

 

                             b16


             b17

   

                         b18

   

                         b19

 

                         b

   

                         b21

   

                         b22

 

Nun will ich aber zum Schluß doch auch noch etwas zum Namenspatron dieser Kirche anmerken, dem Heiligen Briccius, der früher auch Brictius, Britius, Brixius oder Bricio geschrieben wurde. Wie kommt die Kirche zu diesem Heiligen aus Tours in Frankreich? Aus Tours wäre ein anderer Heiliger zu nennen, der Heilige Martin, den jedes Kind kennt! Briccius (370 - 444) war der 4. Bischof von Tours.

"Nach der Legende ein Waisenkind, das von Martin von Tours gerettet worden war, wurde Brictius in Martins Kloster aufgezogen. Er erwies sich als begabter und ehrgeiziger Student, war aber eher weltlich ausgerichtet, temperamentvoll, scharfzüngig und um einiges kritischer gegenüber dem allseits verehrten Martin, als dessen Umgebung für richtig hielt.

Eine Anekdote berichtet, er sei von einem Armen nach Martin gefragt worden und habe geantwortet: „Geh in die Kirche, und wenn du einen siehst, der ständig wie ein Verrückter oder Verzückter zum Himmel schaut, der ist es.

Im dreißigsten Jahr seines Episkopats bekam eine Nonne, die in seinem Haushalt Wäscherin war, ein Kind - und die Gerüchte in der Stadt besagten, Brictius sei der Vater. Er stellte sich einem Gottesurteil, indem er in seinem Mantel glühende Kohlen zum Grab des heiligen Martin trug. Sein Mantel war unbeschädigt, aber seine Leute glaubten ihm nicht und er musste Tours verlassen, weil er sonst von ihnen gesteinigt worden wäre."

Da sieht man wieder mal wie wahr der lateinische Spruch ist: "Semper aliquid haeret!" Irgendwas bleibt immer hängen... Er ging in einer siebenjährigen Reise nach Rom, wurde vom Papst von allen Anschuldigungen freigesprochen, kehrte wieder nach Tours zurück und nahm sein Bischofsamt wieder auf.

   

                                              b24

                         Statue, um 1515, im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe

 

Erstaunlich finde ich zweierlei. Bei der Ikonografie wird er als Bischof mit Wickelkind im Arm und mit glühenden Kohlen im Mantel dargestellt. Er gilt als Patron der der Richter; gegen Leibweh und Unterleibskrankheiten.

 

b25

                  Lat: 52° 59' 24,8'' Nord     Long.: 8° 16' 59,0'' Ost      [56 m ü. N.N.]

 

"Ort der Gemeinde Großenkneten, liegt zwischen Hunte und Lethe, verfügt über einen Bahnhof, zahlreiche Direktvermarkter mit Hofläden, viele Großsteingräber.
SEHENSWERTES: St. Briccius Kirche (13. Jhd.), Huntloser Moor, Hegeler Wald"

Na, da müßte aber dringend hinzugefügt werden:
Seltene mittelalterliche Kratzsonnenuhren an der Südwand der Kirche!

 


Ich habe über diese Sonnenuhren auch  im spanischsprachigen digitalen Sonnenuhrenmagazin

Carpe Diem Nr. 22, Junio 2007

in Zusammenarbeit mit Martha A. Villegas aus Torreón in Mexiko berichtet:

IMÁGENES DEL TIEMPO EN MARCAS SIMPLES DEL PASADO









Nach oben