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Die Bremer Domsonnenuhr





Auf dem langen Weg zur Reparatur der seit Monaten ruinierten Domsonnenuhr ergab sich für mich zufällig am 25.8.2010 eine Lehrstunde in Bremischer "Souveränität" und "Zivilcourage".




Der Eintrag über diese Sonnenuhr ist aus dem Katalog "Sonnenuhren Deutschland und Schweiz" der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie von 1994

Die Dommanagerin – ja so ein Pöstchen gibt es fürwahr am Bremer Dom –  blaffte mich, während sie mir die Hand zum Gruß reichte an, daß sie mich nicht zu diesem Termin mit dem Metallarbeiter und einem Mathematiklehrer aus Bremen erwartet habe! Sie wollte dann auch gleich wie ein kleines Kind erfahren, von wem ich diesen Termin zur ersten Reparatur-Besprechung vor der Sonnenuhr erfahren habe. Nun, der Mathelehrer hatte mich tags zuvor ganz stolz angerufen, daß er gefragt worden sei …




So sah die Sonnenuhr vormals aus. Auch bei der vorausgegangenen Restaurierung hatte man schon den für diese Sonnenuhr wichtigen Nodus-Knauf "vergessen" und der Schattenstab hatte zudem einen merkwürdigen Knick.


                       


                        


Der von der Dommanagerin angeheuerte Mathematiklehrer ging kurze Zeit später vor dieser protestantischen Dame im strengen Kurzhaarschnitt geradezu katholisch in die Knie und erklärte mir allen Ernstes, er würde mir die beiden nächsten Termine zur praktischen Nah-Untersuchung der Sonnenuhr durch den Metallarbeiter und der anschließenden Reparatur nicht nennen, weil die Dommanagerin offensichtlich meine Anwesenheit nicht wünsche, schwang sich rasch auf sein Fahrrad und radelte grußlos von dannen.


                                           Ja wo samma denn?





Zu diesem nun wirklich absolut lächerlichen Kotau fällt mir einiges ein. Ich sage jetzt nur mal ganz harmlos: Bremen, wie es leibt und lebt! Eine Dorfposse! Vielleicht paßt zu diesem neuen Pärchen ja auch ein Auszug aus einem Streiflicht der Süddeutschen Zeitung, das ich gern als „Postludium“ anhängen möchte.

Ich mailte am selben Tag den Metallarbeiter an, um ihm von dem seltsamen Verhalten des Mathelehrers zu berichten. Er schickte mir noch am selben Tag eine ausführliche Antwort per Email – zusammen mit zwei schönen Bildern der beschädigten Sonnenuhr die er kurz zuvor aufgenommen und zur Besprechung am Morgen mitgenommen hatte. Ich hatte ihn noch pro forma gefragt, ob er mir die zwei Termine nennen würde, weil ich herausfinden wollte, was er für ein "Typ" sei. Er schrieb, er wolle versuchen, die Dommanagerin und den Mathe-und-Physiklehrer umzustimmen!

Herrschaftszeiten!

Also der hat im Ernst gemeint, daß ich ihn als "Fürsprecher" gebraucht hätte! Grotesk!! Witzig fand ich anschließend, daß auch er es nicht wagte, mir den Reparaturtag mitzuteilen... Nun ja, bei ihm kann man wenigstens sagen: "Wes Brot ich eß', des' Lied ich sing'!"




           Hochmut kommt vor dem Fall

 

Was war vorausgegangen? Vermutlich haben Arbeiter, die an der Domwand ein Gerüst aufgestellt hatten, den Schattenstab nach oben gebogen, weil der Stab der Montage an der Wand im Wege stand. Eine Abnahme nach Abschluß dieser Arbeiten – z.B. durch die Dommanagerin – fand offensichtlich nicht statt, sonst wäre der Schaden an der Sonnenuhr sofort aufgefallen und wäre sofort moniert worden. Es fiel den Damen und Herren des Doms auch monatelang gar nicht auf, daß diese kostbare, fast 400 Jahre alte Sonnenuhr ruiniert war!

Ich mailte schließlich einige Dom-Priester, die Dommanagerin, sowie das Domherrenkollegium zusammen mit einem seitenfüllenden großen Foto von der beschädigten Sonnenuhr an und fragte wegen der Reparatur der beschädigten Sonnenuhr nach.


Keine einzige Antwort!
Der Hochmut der gesamten Dom-Schar!


Daraufhin informierte ich den Weser-Kurier und Karina Skwirblies schrieb einen kleinen Artikel zusammen mit dem von mir aufgenommenen Foto
:


         
         © Bremer Weser-Kurier


Nun ging es plötzlich ganz flugs! Innerhalb einer Woche war die Reparatur beschlossen und es waren die zwei oben genannten Helfer bestellt. Es war nun auch plötzlich nicht mehr so wichtig, daß da Blumen des Bibelgartens an der Mauer stehen, wie es zuvor als vermeintlicher Hinderungsgrund von der Dommanagerin für eine baldige Reparatur in der Zeitung verlautbart wurde. Es hatte sich ganz offensichtlich ein Ranghöherer als die forsche Dommanagerin eingemischt. Die Sonnenuhr sollte nun dringend bis vor dem 3. Oktober 2010 wieder instand gesetzt werden, denn an diesem Tag blickten die Fernsehkameras nach Bremen, weil hier turnusgemäß die Feiern zum Nationalfeiertag stattfinden würden!


                                      



Es gab aber zunächst lang anhaltende Regenperioden. Doch schließlich lugte doch die Sonne heraus und das verschworene Trio machte sich geschwind ans Werk. Man vergaß auch nicht, das Bremische Lokalfernsehen einzuladen und den Reparaturvorgang mit wichtiger Miene zu kommentieren. Ich habe meine nachfolgenden Bilder am 25.9.2010 aufgenommen.

Nun: Der dünne Schattenstab wurde wieder gerade gebogen. Der bisher fehlende Nodus-Knauf scheint mir eine Idee zu voluminös geraten zu sein, wenn man den Schattenwurf genau betrachtet, den er auf der Sonnenuhrfläche bildet. Wer die nunmehr nach so langer Zeit wieder möglichen historischen Zusatzinformationen ablesen will, sollte allerdings ein Fernglas mitbringen. Die Sonnenuhr hängt, bezogen auf ihre Größe schlicht und ergreifend zu hoch an der Wand: Die wahre Ortszeit läßt sich nun aber wieder verläßlich ablesen! Dazu braucht es kein Fernglas und auch keine Brille. Nur sollte man dazu nicht im Winter anrücken, denn da schafft es die Sonne nicht, übers Dach der "Glocke" zu lugen.































Fazit:


"Bremen ist eine ernste, gescheuerte Stadt, mit Lindenbäumen vor den Häusern, sonst ziemlich nackt und kahl gelegen, in einer Sandwüste, unter Rüben und Braunkohl..." meinte 1832 Eduard Beurmann über die Stadt.


Ich freue mich, daß durch meine Initiative die schöne Domsonnenuhr von 1619 wieder instand gesetzt wurde!

 

Und nun will ich Ihnen aber noch den oben versprochenen Streiflicht-Auszug aus der Süddeutschen Zeitung präsentieren, weil er so schön paßt:

Das Streiflicht

(SZ) Bremen? Was wird dem Menschen in Bremen schon geboten? Ein Leben auf dem 53. Breitengrad, nicht fern vom Meer, aber auch nicht so richtig nah dran. Dauernd stürmt und regnet es. Zum Grünkohl verspeist man eine eigentümliche Grützwurst namens „Pinkel". Das Bremer Bier, bestes Becks in grünen Flaschen - längst aufgekauft von einer belgischen Großbrauerei. Die Werfthallen sind verwaist, dafür gibt es noch Punks in der Stadt, richtige Achtziger-Jahre-Punks mit zum Himmel gezwirbelten Haaren, die manchmal an Silvester die Schaufensterscheiben einschmeißen, von den paar Geschäften, die noch nicht Pleite gegangen sind. Darüber hinaus werden in Bremen brutale Tatorte gedreht, in denen Menschen an Fleischerhaken ausbluten, und in schlimmen Inszenierungen sitzen Schauspieler nackt auf dem Altar - da schimpfen die Menschen von der Kirche und von der Bild­Zeitung sehr. Kein Wunder, dass Bremen Letzter ist in der Pisa-Studie, Letzter auch in der Iglu-Studie. Wenn man im Internet die Begriffe Bremen und Schlusslicht eingibt, stellt man fest, dass sie fast eine symbiotische Beziehung pflegen, wie Ernie und Bert oder Black & Decker.








http://www.weser-kurier.de

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